„Schmier mich noch mal ein, Mama?“
„Willst du den wirklich nochmal ins Wasser? Wir wollten eigentlich gehen. Wir sind schon den ganzen Nachmittag am Strand.“
„Neeeeeeein! Ich will bleiben!“
Alexander schaut mich an, während ich Lottes Rücken zum 4. Mal heute Mittag mit Sonnenschutzfaktor 50 einreibe.
„Sag Max Bescheid, der braucht auch noch eine Runde“
Aber sie ist schon wieder weg. Wieder ins Wasser. Mir ihren Schwingflügeln und Schwimmgürtel kann Lotte gut mithalten mit ihrem Bruder. Wobei man ihr das hier gar nicht ansieht, dass sie nicht mal das Seepferdchen hat. Aber das scheint sie nicht zu stören.
Ein Nachmittag am Strand
Sie spielt und plantscht im Wasser, da wo mir das Wasser gerade mal bis an die Waden geht. Max schwimmt seine Bahnen bis zur Markierung und dann zurück. Er übt jetzt schon lange für sein goldenes Schwimmabzeichen, dass er unbedingt im kommenden Winter machen möchte.
Alexander schaut über den Rand von John Grishams ‚Der Polizist‘ hinweg zu mir rüber.
„Wir sollten mal hoch. Wir haben kein Wasser mehr und langsam bekomme ich Hunger. Gibt es noch Brötchen?“
„Die beiden essen heute wie die Scheunendrescher. Nichts mehr da.“
„Ja, sie sind aber auch nur im Wasser.“
„Stimmt. Heute bekommen wir sie nur schwer raus, denk‘ ich.“
Aber Alexander ist mit seinen Gedanken schon wieder bei seinem Thriller. Ich lasse meinen E-Reader sinken und meine Augen schweifen über die relativ ruhige Nordsee und die Menschen um uns herum. Fast alles Familien mit Kindern. Ich lese noch ein Kapitel meiner leichten Sommerlektüre ‚Meer Momente wie dieser‚ von Svenja Lassen.
Gerade als ich denke, dass ich Max noch eincremen sollte, kommt er triefend aus dem Wasser gerannt und schnappt sich sein Badetuch.
„Ich will nicht mehr“ lacht er. „Ich bin am Ende.“
Mein Handy bestätigt es.
„Du warst jetzt 50 Minuten am Stück im Wasser.“
„Ich bin 12 Mal von der einen Sandbank da zu der da geschwommen. Das ist voll anstrengend. Ich hab‘ Kohldampf.“
Das sagt er nur nach dem Schwimmen. Dann hat er immer Kohldampf. Das ist das Zeichen, dass wir auch eine kleine Maus aus dem Wasser ziehen müssen, um etwas zu essen. Max sonnt sich noch etwas, während Alexander und ich die Sachen packen.
Wir waren hier um 12 Uhr und wollten eigentlich gar nicht so lange bleiben. Aber am Strand vergisst man die Sorgen und die Zeit. Es ist fast 7.
Ich will nicht nacht Hause
„Max, bringst du den Müll weg?“
„Ach, nööö! Ich kann nicht mehr“
„Weißt du, es wiegt weniger als heute Mittag.“
„Das soll Lotte machen.“
Lotte müssen wir erst mal aus dem Wasser holen, da höre ich sie schon schreien:
„Iiiich wiiiiill nooooooch niiiiiicht!“
Alexander stellt sie neben uns in den Sand, da wo wir gerade noch alle unsere Sachen ausgebreitet hatten.
„Ich will noch nicht nach Hause!“
„Wir fahren auch erst in einer Woche!“
Max, unser Schlaumeier, kontert gerne. Besonders, wenn er das bei seiner kleinen Schwester machen kann. Sein verschmitzter Blick sagt mir, dass er auf ihre Reaktion wartet.
Trotzig steht sie da und bekommt von Alexander ein Handtuch um die Schulter gelegt. Es ist fast eine Art Trostpflaster.
„Wir gehen jetzt erst mal was essen. Ich glaube, wir haben Hunger.“
Mit zwei völlig übermüdeten Kindern ist der Weg Richtung Leuchtturm und Ferienwohnung drei Mal so lang. Lotte hat heute keine Lust mehr nur noch einen Schritt vor die Füße zu setzen.
Wenn die beiden auch noch Hunger haben, dann kippt die Stimmung ganz.
Aber mir geht es heute ähnlich. Ich kann den Sonnenschirm und alle unsere Badesachen auch einfach nicht mehr tragen. Lotte hängt bei Alexander über der Schulter und schläft schon fast.
Am Ende des Strandzugangs sehe ich den Fischbude stehen. Ich schaue nach rechts zu Alexander und wir verstehen uns auf einen Blick.
Wir kommen hier immer vorbei, wenn wir an den Strand gehen, aber heute sticht der Duft uns direkt in die Nase.
Kibbeling zum Abendessen
Die Schlange ist gar nicht so lange wie sonst. Max zielt auf eine freie Bank an, die kurz dahintersteht. Alexander stellt Lotte daneben und holt auch mein Gepäck. Denn den Platz in der Reihe vor der Fischbude gebe ich nicht mehr her. Auch Lotte wird wach:
„Jaaaa, Kibbeling!“
Das war das erste holländische Wort, dass sie gelernt hat. Nach keinen 10 Minuten werden mir 3 Portionen ‚Kibbeling met Ravigottesaus‘* vom Tablett gerissen. Ich setzte mich mit der übrig gebliebenen Portion daneben.
„Die Sauce* ist ein Gedicht“ meint Alexander, während er sich genüsslich den einen nach dem anderen Kibbeling in den Mund steckt.
„Wer noch übrighat, kann sich bei mir melden.“
Aber ich denke, diesen Kampf wird er nicht gewinnen. Max isst mit seinen 11 Jahren schon fast wie ein Erwachsener, auf jedem Fall nach dem Schwimmen. Er wird höchstens einen von Lotte abbekommen, denn ich schaffe meine Portion auch ohne Probleme.
Da kriecht Lotte mit ihren letzten Kibbelings bei Alexander auf den Schoß.
„Hilfst du mir, Papa, mit aufessen?“
Ich bring schon mal das Tablett zurück und freue mich nach diesem Nachmittag am Strand auf einen gemütlichen Abend mit Alexander, denn Max und Lotte werden wahrscheinlich direkt ins Bett fallen.
„Warte, ich will auch!“
Im Augenwinkel sehe ich, wie Max den Müll wegbringt und Lotte ihm hinterherrennt. Sie rennen über den Strandboulevard. Max voran und Lotte hinterher. Was so eine Portion Kibbeling doch zu Stande bekommt, das schaffen wir nie. Max schmeißt den Müll erst beim übernächsten Mülleiner weg und hilft Lotte dabei ihre Serviette zu entsorgen. Im selben Tempo kommen sie Hand in Hand zurück.
„Waren die anderen Mülleimer voll?“
„Nein, ich hatte einfach noch Lust eine Runde zu rennen.“
„Nööö, wollte von Max gewinnen. Aber der war wieder schneller.“
„Dann los, nach oben. Unter die Dusche und ins Bett. Wer gewinnt?“
Ich wünschte mir, das wäre ich selbst.
*Lies ruhig mal eins meiner anderen Rezepte.