Geheime Schutzräume und tierische Untermieter
Stell dir vor, du spazierst durch die niederländische Landschaft und stößt plötzlich auf eine unscheinbare Betonstruktur. Ein Relikt aus vergangenen Zeiten, ein stiller Zeuge der Geschichte – ein Bunker. Diese massiven Bauwerke sind nicht nur Mahnmale aus Kriegszeiten, sondern haben heute oft eine unerwartete neue Nutzung gefunden: als Refugium für Fledermäuse!
Bunker – Stille Wächter der Geschichte
Die Niederlande sind reich an Bunkern, die während des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Krieges errichtet wurden. Besonders bekannt ist der Atlantikwall, eine Verteidigungslinie entlang der Küste, die von den deutschen Besatzern errichtet wurde. Diese Bunkeranlagen, verteilt über das Land, erzählen Geschichten von militärischer Strategie, Angst und Widerstand. Oft unscheinbar in der Landschaft versteckt, gibt es auch an der niederländischen Küste noch viele Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg.
Atlantikwall
Die europäische Küste wurde während der deutschen Besatzung buchstäblich zu einer Festung. Während des Zweiten Weltkriegs baute Nazi-Deutschland eine mehr als 5.000 Kilometer lange Verteidigungslinie: den Atlantikwall. Unzählige Bunker, Panzerwälle und Schützengräben, die an strategischen Stellen errichtet wurden, sind noch immer stumme Zeugen. Der Bau des Atlantikwalls hatte weitreichende Folgen für die Bewohner der Küstenregion. In und um Noordwijk und Katwijk wurden ausgedehnte Verteidigungsanlagen errichtet. Die vorhandenen Militäreinrichtungen machten die Region zu einem begehrten Ziel für die Alliierten. So mancher Fliegeralarm wurde ausgelöst, und das Dorf wurde insgesamt etwa 30 Mal bombardiert.
Unbedingt notieren: Bunkertag
Jährlich im Mai ist in den Niederlanden Bunkertag. Zwischen 10 und 17 Uhr werden von Zeeland bis zu den Watteninseln sind die Bunker des Atlantikwalls, die häufig nicht für die Öffentlichkeit zugänglich, einen Tag lang für interessierte Besucher zugänglich. Die Bunker, manchmal im Sand versunken oder von der Natur übernommen, erzählen anschaulich die Geschichte der deutschen Besatzung.
Um über die weitreichenden Folgen des Atlantikwalls nachzudenken, gibt es neben Bunkerführungen im ganzen Land verschiedene Aktivitäten für Jung und Alt. Bei Spaziergängen und Führungen wird die Geschichte der jeweiligen Region und seiner Bewohner wieder lebendig. Schauspieler zeigen, wie das Leben in und um die Bunker aussah. Historische Fahrzeuge transportieren die Besucher zwischen den verschiedenen Bunkerstandorten. Filmvorführungen mit historischem Filmmaterial versetzen uns in vergangene Zeiten. Auf der Website bunkerdag.nl findet man alle Standorte der Aktivitäten. Speziell für Kinder gibt es ein Aufgabenheft, mit dem sie mehr über diesen Teil der Geschichte unseres Landes erfahren können.
Das vollständige Programm kann unter www.bunkerdag.nl eingesehen werden. Für den Besuch der Bunker während des Bunkertags wird eine Eintrittskarte benötigt. Diese können Sie am Tag selbst bei dem Bunker kaufen, den Sie als erstes besuchen. Das Ticket hat die Form eines Armbands, mit dem Sie alle angeschlossenen Bunker besuchen können.
Auf der Website http://www.bezoekatlantilwall.nl findet man alle Bunker und Bunkeranlagen, die ganzjährig geöffnet sind und Aktivitäten anbieten.
Atlantikwall Museum Noordwijk
In Noordwijk kann man das Atlantikwall Museum und das Museum Engelandvaarders besuchen. Das Atlantikwallmuseum befindet sich im ehemaligen Feuerleitbunker im Norden Noordwijks. Der S414-Feuerleitstand ist ein dreistöckiger Bunker, in dem das Kommando über Noordwijk ausgeübt wurde. Das Museum verfügt über eine umfangreiche Sammlung. In der Nähe des Museums befindet sich ein Munitionsbunker, in dem heute das Museum Engelandvaarders untergebracht ist. Dort kann man sich in die Männer und Frauen hineinversetzen, die während des Zweiten Weltkriegs aus dem besetzten Holland flohen und von England aus den Kampf gegen Nazideutschland und Japan fortsetzten. Weitere Informationen zum Museum findet man hier.
Auch das Besucherzentrum in der Telefonzentrale des ehemaligen Marinefliegerhorstes Valkenburg ist am Bunkertag geöffnet. Die Ausstellung erzählt die Geschichte des Flugplatzes (1939-2006). In Katwijk kann man das Panzerwalldenkmal besichtigen.

Von Schutzraum zu Lebensraum – Fledermausbunker
Viele der noch vorhandenen Bunker an der niederländischen Küste sind heute in Museen umgewandelt worden oder dienen als Geschichtsdenkmäler wie die Bunker bei IJmuiden oder die Anlagen in Zeeland und können besichtigt werden, andere sind gänzlich verlassen und wurden schlicht von der Natur zurückerobert – und genau hier kommen unsere geflügelten Freunde ins Spiel!
Die robusten Bunker bieten perfekte Bedingungen für Fledermäuse: Sie sind kühl, feucht und dunkel, genau das, was die nachtaktiven Tiere brauchen. Daher hat man in den Niederlanden zahlreiche ehemalige Militärbunker in Fledermausquartiere umgewandelt.

In der Provinz Gelderland gibt es zum Beispiel viele dieser Fledermausbunker, die als Winterquartiere für die schnellen Flieger dienen. Aber auch in Nord-Brabant und Limburg wurden Bunker für den Artenschutz angepasst. Forscher haben herausgefunden, dass sich in diesen Schutzräumen verschiedene Fledermausarten wie das Große Mausohr oder die Wasserfledermaus besonders wohlfühlen.
Einige Naturschutzorganisationen arbeiten aktiv daran, diese besonderen Lebensräume zu erhalten und zu optimieren. Türen und Lüftungsschlitze werden angepasst, um den Tieren den bestmöglichen Schutz zu bieten, während Menschen den Zutritt oft nur im Rahmen von geführten Touren erhalten.In Katwijk und Noordwijk sind die Fledermausbunker nicht offiziell zugänglich, aber im Nachbarort Wassenaar kann ein Fledermausbunker besichtigt werden.
Ein Abenteuer unter der Erde: Der Fledermausbunker in Wassenaar
Die Bunkeranlagen in Wassenaar sind eine lehrreiche Attraktion für Jung und Alt. Der spannende, vollständig unterirdische Fledermausbunkerkomplex ist ein idealer Ort, um die Besucher darüber zu informieren, was sich hier im Zweiten Weltkrieg abgespielt hat, zum Beispiel der mutige Einsatz der französischen Kommandos. Darüber hinaus ist der Komplex ein wichtiger Überwinterungsort für Fledermäuse. Freiwillige Mitarbeiter der Organisation Staatsbosbeheer bieten Führungen durch die Bunker und Gänge an.
Der Bunkerkomplex Rijksdorp, jahrzehntelang ein geheimer Ort in Wassenaar, war während des Zweiten Weltkriegs die deutsche Kommandozentrale in der Gegend von Noordwijk bis Scheveningen. Während des Kalten Krieges befand sich hier der tief verborgene Kommandoposten der Royal Air Force. Auch in Rijksdorp werden Führungen durch den Komplex und das schöne Naturschutzgebiet angeboten. Auch diese Bunker waren Teil des Atlantikwalls, der Fledermausbunker am Strand Wassenaarse Slag gilt aber heute als geschützter Lebensraum für Fledermäuse und als spannendes Ausflugsziel für Geschichts- und Naturliebhaber.
Traust du dich, in den Fledermausbunker Wassenaar abzutauchen?
Mache dann einen Spaziergang mit dem Führer der Forstverwaltung von Staatsbosbeheer und versetze dich in die Atmosphäre des skurrilen Zweiten Weltkriegs bei einem spannenden Spaziergang durch die dunklen, kühlen Korridore und Räume des Bunkersystems. Dieser Ort ist ein gutes Beispiel dafür, wie Kulturgeschichte des Atlantikwalls und Naturschutz Hand in Hand gehen: Während der Wintermonate sind die Bunker ein wichtiger Rückzugsort für Fledermäuse, doch in der Besichtigungssaison sind die eifrigen Flieger nicht dort zuhause, sie haben dann ihre Sommerquartiere bezogen. Im Winter finden deshalb auch keine Führungen statt, um die Tiere nicht zu stören.
Die Touren starten beim Bunkereingang beim Parkplatz und Zugang zum Strand Wassenaarseslag und dauern etwa 1,5 Stunden. Festes Schuhwerk und eine Taschenlampe sind empfohlen, denn es ist dunkel im Bunker und häufig auch feucht. Weitere Informationen sind hier zu finden.
Wenn man in den Niederlanden ist, lohnt es sich definitiv, einmal einen Blick auf diese versteckten Zeitzeugen zu werfen und mit eigenen Augen zu sehen, wie die Bunker, die einst ein Schutzraum für Soldaten waren, heute eine lebenswichtige Zuflucht für bedrohte Tierarten geworden sind.
Autor: Natalie Luigs






