3. Oktober: Leidens Ontzet, holländisches Oktoberfest in Leiden & das Geheimnis des Hutspots
Hutspot, Hering und Weißbrot sind drei wichtige Lebensmittel für die Stadt Leiden. Das hat was mit der Geschichte der Stadt und zwar mit der Belagerung durch die Spanier und die anschließende Befreiung am 3. Oktober zu tun. Nun ist Hering ohnehin schon ein typisch holländisches Genussmittel und Weißbrot, vor allem das schöne schlaffe, das bevorzugte Brot der Niederländer, aber was hat es denn mit dem Hutspot auf sich? Dieser Eintopf mit Karotten, Kartoffeln und Zwiebeln wird bis heute, wenn Leiden jedes Jahr am 3. Oktober seine Befreiung oder wie’s auf Holländisch heißt, den Leidens Ontzet, feiert, gegessen.
Wir reisen zurück ins 16. Jahrhundert
Lang, lang ist’s her. Wir reisen zurück ins 16. Jahrhundert. Wir befinden uns im 80-jährigen Krieg. Die Niederlande standen unter spanischer Herrschaft. Als die Spanier am 3. Oktober 1574 von den Geusen aus der Stadt vertrieben wurden und die hungernden Einwohner befreit werden konnten, verteilten sie Hering und Weißbrot. Die Geusen waren niederländische calvinistische Guerilla- und Kapertruppen, deren militärische Aktionen den niederländischen Aufstand gegen die spanische Herrschaft auslösten (1568–1609).
Die erste Belagerung
Leiden war zunächst relativ lange dem spanischen Herrscher Philipp II. treu geblieben. Im Juni 1572 entschied die Stadt sich aber, auf die Seite von Wilhelm von Oranien und den protestantischen Rebellen zu wechseln. Die Spanier waren darüber nicht besonders erfreut. Der berühmt-berüchtigte Herzog von Alva marschierte in Leiden ein und belagerte die Stadt. Alva hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass der Rat der Stadt Leiden große Vorräte an Lebensmitteln und Getränken angelegt hatte. Man hatte schon mit einer Belagerung gerechnet. Aufgrund dieser schlauen Vorbereitung überlebte die Bevölkerung Leidens die erste Belagerung der Stadt relativ gut.
Zwischen den Belagerungen
In der Zeit zwischen März und Mai 1574 wurde die Belagerung von Leiden unterbrochen, weil die spanischen Truppen an der Schlacht von Mookerheide teilnahmen und alle Mannschaften dort benötigt wurden. Die Einwohner von Leiden dachten, dass eine Rückkehr der Spanier nicht allzu schlimm sein würde, und deckten sich jetzt nicht mehr mit Vorräten ein. Das stellte sich später als großer Fehler heraus. Ende Mai 1574 kehrten die Spanier mit einer Streitmacht von etwa fünftausend Mann nach Leiden zurück. Hier fing die zweite Belagerung von Leiden an, die für die Stadt wesentlich härter war. Es mangelte nicht nur an Lebensmitteln, sondern die Stadt hatte auch viel zu wenig Waffen, um sich gegen die Belagerung zu wehren.
Die zweite Belagerung
Die spanischen Belagerer bemerkten schnell, dass die Stadt in Bedrängnis geraten war. Es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die Leidener Bürger schließlich kapitulieren würden. Tatsächlich waren in der Stadt Stimmen zu hören, die um eine Kapitulation baten. Immerhin waren viele Bürger inzwischen bereits verhungert oder an der Pest gestorben. Die Stadtverwaltung und der Bürgermeister wollten jedoch nicht aufgeben. Auch der Stadtsekretär und der Kommandeur der Truppen waren gegen eine Kapitulation. Der spanische Heerführer Francisco de Valdez versuchte es jedoch weiter und spiegelte der Stadtverwaltung immer günstigere Bedingungen für eine Kapitulation vor. Aber die einzige Antwort, die die Stadt nach Spanien schickte, war: „Fistula dulce canit, volucrem dum decipit auceps“ (Süß tönt die Flöte, während der Vogelfänger den Vogel täuscht.) Mit diesem wunderschönen, klassischen und geistreichen Zitat des römischen Staatsmannes Cato des Älteren zeigte Leiden, dass es gar nichts von den vermeintlichen guten Absichten der Spanier hielt.
Abbildung: Leiden in last – Leidens ontzet, 3 oktober 1574 (ets van onbekende artiest). Collectie HGA. Bron: Historiek
Rettungsaktion übers Wasser
In der Zwischenzeit versuchte der Rebellenführer Wilhelm von Oranien, von Delft aus eine Befreiungsaktion zu starten. Nach langen Überlegungen beschlossen die niederländischen Staaten am 1. August 1574 auf Drängen Wilhelms von Oranien, einen großen Teil Hollands zwischen der Maas und dem alten Rhein zu fluten. Dies war ihrer Ansicht die einzige Möglichkeit, Leiden zu retten. Dass diese Überschwemmung auf Kosten vieler Bauern in der Gegend ging, wurde für bare Münze genommen.
Gleichzeitig wurde in der Nähe von Rotterdam eine holländische Flotte zusammengezogen. Als das Wasser in Holland genug gestiegen war, segelten sie am 10. September los und versuchten, Leiden uf dem Wasserweg zu erreichen. Sie waren lange unterwegs und in der Zwischenzeit starben immer mehr Einwohner von Leiden einen bitteren Hungertod. Der Anführer der Geusenflotte, Louis de Boisot, versuchte den Einwohnern Hoffnung zu geben indem er mit Brieftauben Botschaften an die Stadtbewohner schickte, um anzukündigen, dass die Rettung unterwegs sei. In Wirklichkeit kamen die Schiffe aber nur quälend langsam voran. Erst am 29. September brachte ein Sturm die Rettung. Er ließ das Wasser der Maas so weit ansteigen, dass die Stadt Leiden tatsächlich per Schiff erreicht werden konnte. Die Spanier gaben daraufhin ihre Belagerung endgültig auf. Am 3. Oktober 1574 wurde Leiden endlich befreit oder „ontzet“.
Die Geusen waren über den Fluss de Vliet in die Stadt gekommen und hatten Hering und Weißbrot mitgebracht, um den größten Hunger der erschöpften Bevölkerung zu stillen. Einen Tag später besuchte Wilhelm von Oranien die Stadt. Er kritisierte die Stadtverwalter, die es versäumt hatten, die Stadt angemessen zu versorgen. Kurze Zeit später beschloss der Rebellenführer, dass in Leiden eine Universität gegründet werden sollte. Heutzutage ist Leiden eine der wichtigsten Universitätsstädte der Niederlande.
Leiden in Last
Zu Beginn der zweiten Belagerung von Leiden hatte die Stadt etwa achtzehntausend Einwohner. Davon verloren schätzungsweise sechstausend ihr Leben, meist ältere und arme Menschen, die keine Möglichkeit hatten, an Lebensmittel zu gelangen. Aus der dramatischen Situation, in der sich die Leidener während der Belagerung befanden, entstand der bekannte niederländische Ausdruck „Leiden in last“ (Leiden in Not). Dieser wird heutzutage immer noch benutzt, wenn jemand sich in einer schwierigen Situation befindet.
Was es mit dem Hutspot auf sich hat
Der Überlieferung nach machte sich ein kleiner Waisenjunge, Cornelis Joppenszoon auf dem Weg zum Stadtteil Lammenschans, einen guten Kilometer südlich der Stadtmauern. Hier hatten monatelang Spanier ihr Lager aufgeschlagen. Sie waren aber inzwischen aus Angst vor dem vorrückenden Wasser und den sich nähernden Geusen geflohen. In ihrem verlassenen Lager soll Joppenszoon einen Kochtopf mit Karotten, Zwiebeln, Fleisch und Pastinaken gefunden haben. Diese Mahlzeit erhielt den Namen Hutspot.
Im Gegensatz zum Begriff stamppot (Eintopf), bei dem die Ingredienten gestampft werden, komt huts von husselen, also Zutaten einfach miteinander mischen, ohne sie zu pürieren. Zum Gedenken an dieses Ereignis isst man am Leidens Ontzet bis heute immer noch Hutspot (mit Schmorfleisch). Am Bahnhof Leiden Lammenschans in Leiden steht eine Statue von Cornelis Joppenszoon, der einen Kessel mit spanischem Hutspot hält.
Heutzutage gibt es Hutspot in zahlreichen Variationen. Gerade im Winter ist das Gericht in ganz Holland sehr beliebt. Im Gegensatz zum Stamppot steht der Hutspot nicht in unserem holländischen Kochbuch LeckerNL.
Deswegen hier Rezepte zu Hutspot und Hutspot mit Klapstuk. Es gibt ja sogar vegane Versionen.
Leidens Ontzet: Oktoberfest in Leiden
Noch heute findet jedes Jahr am 3. Oktober ein Gedenkgottesdienst in der wunderhübschen Pieterskerk in Leiden statt. Dieser Tag ist in Leiden ohnehin ganz den historischen Ereignissen gewidmet. Viele Menschen haben frei, Schulen sind geschlossen und es gibt überall Feste in der Stadt und eine Riesenkirmes und an jeder Straßenecke ist Hutspot, Hering und natürlich Weißbrot erhältlich.
Leiden und die historische Innenstadt sind sowieso unbedingt einen Besuch wert und von unseren Ferienwohnungen an der Küste in einer Viertelstunde zu erreichen. Aber am 3. Oktober ist Hochbetrieb und hat Leiden, wie München, sein ganz eigenes Oktoberfest.