4 Mai

Man sitzt als deutscher Tourist auf einer Terrasse in den Niederlanden und wo gerade noch lebhaft geredet wurde und Musik erklang ist plötzlich um genau 20.00 Uhr alles still. Wirklich mucksmäuschenstill. Wenn du am 4. Mai abends in Holland bist, wirst du dich bestimmt wundern, was denn da jetzt eigentlich los ist. Wir erklären es dir: Es ist dann in Holland „Dodenherdenking“. Die Holländer gedenken den Kriegsopfern. Hauptsächlich vom 2. Weltkrieg, aber heutzutage auch von allen anderen Kriegen, die es ja leider immer noch gibt.

Aber keine Sorgen, am nächsten Tag ist der Spuk vorbei und feiern die Niederlande ihren Befreiungstag, und dann geht’s wieder ganz orange und richtig lautstark hoch her. Und was sie da feiern? Die Befreiung von den deutschen Besatzern und ihre Freiheit.

Dodenherdenking: Nationaler Totengedenktag

Die Nationale Dodenherdenking ist ein niederländischer Gedenkmoment, der jährlich am 4. Mai stattfindet und unter anderem zwei Schweigeminuten um 20 Uhr beinhaltet. GedenkTAG ist dabei aber nicht ganz richtig, es handelt sich hauptsächlich um den Abend des 4. Mai. Neben der nationalen Gedenkfeier beim Nationalmonument auf dem Dam in Amsterdam werden auch von lokalen Komitees in Gemeinden und Städten überall Gedenkfeiern organisiert.

„Während der nationalen Gedenkfeier gedenken wir aller – Zivilisten und Soldaten –, die im Königreich der Niederlande oder sonst wo in der Welt gestorben sind oder getötet worden sind – sowohl während des Zweiten Weltkrieges und des Kolonialkrieges in Indonesien als auch allen Kriegen und bei allen Friedensmissionen danach.“

Ursprünglich war dieser Tag nur als Gedenktag für die niederländischen Opfer des Zweiten Weltkrieges gedacht; seit 1961 gilt jedoch diese breitere Definition. Die erste Dodenherdenking fand bereits am 9. Mai 1945 statt. Auch damals gab es schon eine landesweite Schweigeminute.

Nationale Gedenkfeier auf dem Dam in Amsterdam

Das Amsterdamer Nationalmonument auf dem Dam, gegenüber dem königlichen Palast ist der Mittelpunkt der zentralen Gedenkfeier am 4. Mai.

Die Gedenkfeier beginnt in der Nieuwe Kerk in Amsterdam. Jedes Jahr verfasst ein anderer Schriftsteller die Ansprache zum 4. Mai und trägt sie auch selber vor. Kurz vor 20.00 Uhr begeben sich der König und die Königin vom Palast aus auf den Dam und schreiten in Begleitung politischer und militärischer Würdenträger durch ein Spalier von Veteranen und Soldaten zum Nationaldenkmal. Dort legen sie im Namen aller Bürger der Niederlande am Nationalmonument einen Kranz nieder. Danach ertönt der Zapfenstreich, dessen letzter Ton genau um 20 Uhr verklingt.

Nachdem die Glocke des Königlichen Palasts 20 Uhr geschlagen hat, folgen zwei Schweigeminuten für das ganze Land zum Gedenken an die Gefallenen. Seit 1994 wird um 20.02 Uhr die erste Strophe der niederländischen Nationalhymne, Het Wilhelmus, gespielt, dabei werden alle Flaggen an allen Gebäuden und Häusern auf halbmast gesetzt.

Darauf folgt ein selbstverfasstes Gedicht eines Jugendlichen und legen Überlebende fünf Kränze für verschiedene Gruppen von Kriegsopfern nieder. Auch der Ministerpräsident und der Bürgermeister von Amsterdam legen einen Kranz vor das Denkmal. Eine hübsche Tradition ist es, dass auch Amsterdamer Schulkinder jeweils eine Blume auf den Denkmalsockel legen. Die Zahl der Kinder entspricht immer der Zahl der Jahre, die die niederländische Bevölkerung seit dem Krieg in Freiheit lebt. Die Gedenkfeier wird mit einem Defilee entlang des Denkmals abgeschlossen.

Da es eine nationale Gedenkfeier ist, nehmen keine ausländischen Gäste teil. Und natürlich überträgt das niederländische Fernsehen diese Feier live.

Gedenkfeier an der Waalsdorpervlakte

Die Waalsdorpervlakte ist eine Senke in den Dünen in der Nähe von Den Haag. Während der deutschen Besatzung wurden dort über 250 niederländische Widerstandskämpfer hingerichtet.

Jedes Jahr finden sich hier tausende Menschen zu einem Schweigemarsch ein. Voran gehen die Angehörigen der Hingerichteten. Der Schweigemarsch führt zum Denkmal der Waalsdorpervlakte. In den ersten Jahren nach der Befreiung vollzog sich das Gedenken in aller Stille. Seit 1959 wird eine Bourdonglocke geläutet, immer von 19.45 bis 19.59 Uhr. Auch hier herrscht um 20.00 Uhr für zwei Minuten vollkommene Stille, bis um 20.02 Uhr die Nationalhymne gespielt wird. Anschließend können Besucher sich zum Denkmal begeben und dort Blumen oder einen Kranz niederlegen. Auch hier ist das Fernsehen immer live dabei.

Dilemma der deutschen Kriegsopfer

In den Niederlanden diskutiert man seit langem darüber, ob man auch der deutschen Opfer und der niederländischen Kollaborateure gedenken sollte. Das für die zentrale Gedenkfeier in Amsterdam am 4. und 5. Mai verantwortliche Nationaal Comité 4 en 5 mei (Nationalkomitee 4. und 5. Mai) hat dies bisher für die nationalen Feiern abgewiesen, es jedoch den Gemeinden und örtlichen kleinen Vereinigungen nicht untersagt. Im gelderländischen Ort Vorden wurden zum ersten Mal auch gefallene deutsche Soldaten in das Gedenken aufgenommen.

Aber dann: Jubel, Trubel und Heiterkeit am 5. Mai, dem Tag der Befreiung

Einen Tag später steht am Bevrijdingsdag die Befreiung von der deutschen Besatzung (1940-1945)  im Mittelpunkt. Dann wird im ganzen Land lautstark und wie immer in orange die Freiheit gefeiert! Dieser bunte und laute, feierliche Festtag steht in schrillem Kontrast zum seriösen Ton des Vortages.

Warum am 5. Mai?

Die Kapitulationserklärung der Deutschen erfolgte gegenüber dem britischen Feldmarschall Bernard Montgomery im Hauptquartier der britischen Truppen auf dem Timeloberg in der Nähe von Lüneburg.  Sie sollte aber erst am 5. Mai um 8:00 Uhr in Kraft treten. Am 5. Mai verhandelten zudem der kanadische General Charles Foulkes und der deutsche Oberbefehlshaber Johannes Blaskowitz im Beisein von Prinz Bernhard als Kommandant der inländischen Streitkräfte in den Ruinen des weitgehend zerbombten Hotel de Wereld in Wageningen hinsichtlich der Kapitulation der deutschen Truppen in den Niederlanden. Blaskowitz erreichte schließlich, dass die deutschen Truppen unbehelligt nach Ostfriesland abziehen konnten, nachdem er damit gedroht hatte, andernfalls weite Teile der Niederlande überfluten zu lassen. Am Folgetag, dem 6. Mai 1945, wurden die vorbereiteten Kapitulationsbedingungen in der nahe dem Hotel gelegenen Aula der Wageninger Landbauhochschule unterzeichnet.

Wo ist der Füllhalter?

Sowohl das kanadische Kriegsmuseum in Ottawa als auch das Museum de Casteelse Poort in Wageningen behaupten, den Füllhalter zu besitzen, mit dem Foulkes die Kapitulationsdokumente unterzeichnete. De Casteelse Poort liegt ganz in der Nähe von Planken Wambuis, direkt an der Autobahn.

Seit 1990 ist der Befreiungstag ein nationaler Feiertag.

Wir kommen uns näher: Deutsche Teilnahme am Befreiungstag

Im Jahr 2012 sprach der damalige Bundespräsident Joachim Gauck als erster Deutscher anlässlich des Tags der Befreiung in den Niederlanden. In seiner Rede betonte er das Bewusstsein für die deutsche Schuld und erinnerte an die mehr als 100.000 ermordeten niederländischen Juden, die 500.000 niederländischen Zwangsarbeiter, das Flächenbombardement Rotterdam und die niederländischen Widerstandskämpfer.

2023 nahm Hendrik Wüst als erster Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes an den diesmal in Zwolle durchgeführten Feierlichkeiten teil. Da in diesem Jahr auch der  Westfälische Friede sein 375. Jubiläum feierte, brachte man das Freiheitsfeuer erstmals in einer Staffel über die niederländisch-deutsche Grenze  nach Münster.

Freiheits-Feierlichkeiten

Am 5. Mai setzt man die Fahne nach dem Totengedenktag überall wieder. Sie weht dann auch wirklich an  jedem holländischen Giebel. Im ganzen Land organisiert man am 5. Mai zahlreiche Aktivitäten, um die Freiheit zu feiern. In vielen Städten finden Befreiungsfestivals statt. Der Tag wird am Abend abgeschlossen mit einem Befreiungskonzert auf der Amstel in Amsterdam.

So, jetzt kennst du die wichtigsten Feiertage in den Niederlanden. Feiere einfach mit, es macht Riesenspaß!
In unseren nächsten Blogs werden wir dir für den langersehnten Sommerurlaub ein bisschen Niederländisch beibringen. Tot ziens! (Bis bald).

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